Methoden der Tumorforschung
Die Erforschung der molekularen Prinzipien von Tumorwachstum ist in der translationalen onkologischen Forschung eine klinisch hochaktuelle Fragestellung, die letztlich die Entwicklung neuer therapeutischer Konzepte zur Tumorbekämpfung zum Ziel hat. Tumorwachstumsmerkmale werden u.a. in 2D und 3D Zellkultursystemen und mit modernen funktionellen in vitro Testverfahren in Zellkulturen untersucht. Allerdings können diese Methoden nur isolierte tumorbiologische Einzelaspekte analysieren und komplexe Tumorwachstumsmerkmale wie Angiogenese, oder auch Substanz- oder Bestrahlungseffekte zur Modellierung dieser Eigenschaften nur limitiert abbilden.
Für eine realitätsnahe Abbildung von komplexen Tumormerkmalen bedarf es grundsätzlich einer 3D-Struktur, in der die Tumorzellen miteinander interagieren können. Eines der am häufigsten verwendeten Modelle zur Untersuchung von Tumormerkmalen oder Antitumor-Substanzeffekten ist das Einbringen von Tumor- Xenografts in die Flanke immundefizienter Nacktmäusen. Dieses Modell benötigt allerdings die platz- und personalintensive Zucht und Haltung von vielen Versuchstieren. Dazu kommt, dass für diese Versuche eine vorwiegend mittlere Belastung durch invasive Maßnahmen und Tumorwachstum anzunehmen ist.
Das Hühnerei Chorionallantoismembran (CAM) Modell
Hier greift das Hühnerei Chorionallantoismembran (CAM) Modell. Die CAM ist die unter der Eischale liegende, äußere stark vaskularisierte und nicht innervierte Hülle eines bebrüteten Hühnereies. Diese Aderhaut dient dem Hühnerembryo als eine Art Lunge und stellt durch die Vielzahl an Blutgefäßen ein biologisches Substrat für applizierte Tumorzellen dar. Die auf der CAM wachsenden Tumore bilden eine für die jeweilige Tumorzelllinie charakteristische, dreidimensionale Struktur aus, die auch das Gefäßsystem des Kükenembryos einbezieht.
CAM-Modell im Vergleich zum Mausmodell
Das CAM hat einige bedeutende Vorteile gegenüber vielen Maus-Modellen: der Kükenwirt gilt zumindest in der frühen Phase der Entwicklung als immundefizient, d.h. Abstoßungsreaktionen sind nicht zu erwarten und die Versuche sind signifikant weniger zeitintensiv. Dadurch wird die Belastung nicht nur verkürzt, sondern ist zudem durch den extraembryonal – also auf einer den Hühnerembryo umgebenen Hülle und nicht im sich entwickelnden Embryo selbst - wachsenden Tumor signifikant geringer, als bei entsprechenden Nagerversuchen. Vor dem 13. Bebrütungstag ist bei Hühnerembryonen zudem kein Schmerzempfinden ausgebildet:
Während ein Versuch zur spontanen oder experimentellen Metastasierung im Mausmodell ca. 4-10 Wochen oder länger dauert, kann man die gleiche Fragestellung im CAM Modell bereits nach 7-9 Tagen beantworten. Die Tumorzellen werden zudem nicht in den Embryo selbst, sondern direkt auf die CAM appliziert, die kaum innerviert ist. Die kurze Laufzeit des CAM Assays stellt allerdings auch eine Einschränkung der Methode dar, da nur ein Zeitfenster von etwas mehr als einer Woche für die Versuche zur Verfügung steht, welche vor dem Schlupf des Hühnerembryos beendet sein müssen. Laut derzeitiger Stellungnahme des LANUV stellen genetische oder andere Manipulationen am Hühnerei, die zwar zulassen, dass der Embryo zunächst weiterlebt, die Tiere aber nicht schlüpfen, gemäß § 14 Nr. 2. der Tierschutz-Versuchstierverordnung keine Tierversuche im Sinne des Tierschutzgesetzes dar. Die Bestimmungen der §§ 7 bis 9 sowie der §§ 15 bis 43 des Tierschutzgesetzes gelten daher für diese Experimente nicht und ein bewilligter Tierversuchsantrag ist demzufolge für Arbeiten mit dem CAM-Modell (zur Zeit noch) nicht notwendig.
Neben der einfachen, platz- und kostensparenden Handhabung besticht das CAM Modell im Vergleich zum Mausmodell zudem durch eine hohe Reproduzierbarkeit der Ergebnisse. Somit bringt das CAM-Modell, welches zwischen klassischen in vitro und in vivo Experimenten anzusiedeln ist, viele Eigenschaften eines alternatives Experimentalverfahren mit. Als präklinisches Vorscreening-Modell kann es helfen, Versuche an Nagern in der Tumorforschung zum Teil zu ersetzen oder zumindest zu reduzieren.
Im CAM Assay kann das Tumorwachstum und das Migrationsverhalten unterschiedlichster Krebszellen in vivo untersucht werden, die zuvor in vitro oder auf der CAM selbst mit Wirkstoffen behandelt oder bestrahlt wurden oder in denen Gene überexprimiert oder ausgeknockt wurden (siehe Abbildung oben). Zudem lassen sich optimale Wirkstoff- und Bestrahlungsdosen austesten. Hierdurch lässt sich für bestimmte Fragestellungen die Zahl der benötigten Zucht- und Versuchsmäuse im Anschluss an die CAM-Versuche weiterhin reduzieren.
Das CAM-Modell in der Praxis erlernen
An der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen besteht in der Abteilung Neuroanatomie (Institut für Anatomie II) unter der Leitung von Prof.`in Nicole Dünker für klinikinterne sowie für externe Forschergruppen die Möglichkeit, die CAM Methode zu erlernen. Seit mehreren Jahren wird diese CAM Facility, für deren Etablierung wir unlängst den zweiten Platz bei der Auslobung des 3R Tierschutzpreises des Zentralen Tierlaboratoriums Essen gewonnen haben, von verschiedensten Forschergruppen interdisziplinär genutzt, um die Methode eingewiesen zu werden und diese dann im Heimatlabor zu etablieren und/oder in Kooperation unter Nutzung der Expertise vor Ort CAM Versuche in der Facility durchzuführen.
Bei Rückfragen steht Ihnen die Geschäftstelle des 3R-Kompetenznetzwerks NRW gerne zur Verfügung.
Kontakt: 3r-netzwerk-nrw@ukbonn.de